Diversity in Germany: Raus aus den Schubladen! Florence Brokowski-Shekete Book Review ger/engl
“Raus aus den Schubladen! Meine Gespräche mit Schwarzen Deutschen” von Florence Brokowski-Shekete ist das zweite Buch der Autorin, die mit dem autobiografischen Band “Mist, die versteht mich Ja!” einen überraschenden Erfolg hatte. In ihrem neuen Buch portraitiert sie zwölf Schwarze Deutsche, die in meist gewöhnlichen Berufen arbeiten.
Von Hans Hofele
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Das mag auf den ersten Blick nicht sehr spannend sein, ist aber genau das Gegenteil davon. Es wäre natürlich einfacher, Musiker:innen, Sportler:innen, Schauspieler:innen nach ihrem aufregenden Leben zu fragen. Über sie wird in den Medien auch häufiger berichtet. Schon in der Einleitung macht Florence Brokowski-Shekete an einem Beispiel deutlich, was von Schwarzen Deutschen erwartet wird, wenn sie sich unter das von weißem Mittelstand oder die akademischen Oberschicht mischen. Florence Brokowski-Shekete ist Schulamtsdirektorin. Vermutlich die einzige Schwarze in dieser Position in Deutschland. So bekommt sie auf einer Fachtagung von einem Teilnehmer gesagt: “Sie sind bestimmt Stewardess. Zu so jemandem Exotischen wie Ihnen passt nur ein exotischer Job”. Solch frappierenden Aussagen finden sich mehrfach in dem Buch. Eine weitere, die hängen blieb ist die, die eine Kirchenmitarbeiterin zum neuen Organisten und Kantor sagt, der sich gerade auf den Weg, hoch zur Orgel macht: “Da können Sie jetzt nicht hoch, da findet gleich ein Konzert statt.”
Würden sie nicht auch von gebildeten Menschen kommen, könnte man schnell darüber weggehen. So wundert man sich doch des Öfteren über soviel unüberlegten Rassismus, über das weitertragen von Stereotypen. Denn während in den “exotischen” Berufen der Medienwelt, des Entertainment und der Dienstleistung Schwarze immer sichtbarer werden, bleiben in tradierten Bereichen wie Schule, Justiz, Finanzen, Parlamenten, Industrie die weißen Deutschen meist unter sich. Latent wird den Schwarzen Deutschen bei ebenbürtiger Qualifikation, dieselbige abgesprochen, nur weil es außerhalb des Vorstellungsbereichs der weißen Mehrheit liegt. Lehrerin? Kantor ? Bürgermeister? Rechtsanwältin? Metzgermeister? Ja, das ist alles berufliche Realität.
Das Besondere liegt also im Einfachen, zumindest wenn es um Schwarze Deutsche geht. Doch mit dem einfachen und gewöhnlichen ist so eine Sache, wenn es in Deutschland um Hautfarbe geht. Diesem Umstand, dieser Herausforderung hat die Autorin in den Gesprächen nach gespürt. Mit viel Empathie und Neugier sind sehr unterschiedliche Portraits entstanden. Sie selbst nennt es “Wunderbare Begegnungen”. Oft sind diese Menschen die einzigen Schwarzen in ihrer Firma, ihrer Institution oder auch Wohnort. Die Sichtbarkeit, der Umstand, dass man stets als Minderheit erkennbar ist, ist vielen Portraitierten als Problem gemein. Oft wird der Wunsch geäußert , nicht der oder die Einzige zu sein, die im Ort eine andere Hautfarbe haben. Leistung wird ihnen oft nicht zugetraut, ihre Intelligenz oder Sprachfertigkeit oft angezweifelt. Da nutzt es bei bestimmten weißen Ignoranten auch nicht, dass ihre gegenüber oft höhere Abschlüsse haben, bessere Noten, einen größeren Wortschatz. Für die Menschen im Portrait sind sie dennoch ein starkes Schwert im Kampf um Anerkennung in der weißen Gesellschaft.
Mit überdurchschnittlichem Engagement, mit dem Beherrschen der deutschen Sprache sind zwei wirksame Faktoren genannt, um dennoch den Weg zu machen. Das zeigen die Portraits sehr eindrücklich. Über das nachzeichnen der Lebensläufe wird aber auch bundesdeutsche Geschichte erzählt. Wie war das Leben als Einwandererkind in den 80ern, im Osten, in Ostfriesland, in der Pfalz? Wir bekommen viel mit über manchmal schwierige familiäre Umstände. Adoption, Fragen nach Herkunft und Identität werden auch thematisiert. Manchmal werden die Gefragten einsilbig, wird das Private dann doch sehr Privat. Die heutige Rechtsanwältin Ingrid Adjoa Yeboah ist in Niedersachsen aufgewachsen. Als sie in ihrer Kindheit ein weißes Nacharschaftskind besucht, breitet deren Vater eine Afrikakarte aus. Dort soll sie zeigen, wo sie wirklich herkommt. Das empört sie. Das empört auch die Leser:innen.
Es sind diese wertvollen Innensichten aus dem deutschen Alltagsrassismus, die durch die zunehmende Aufklärung und Offenlegung zum Thema werden. Es ist also ganz und gar nicht langweilig, diesen Lebensläufen normaler Deutscher zu folgen. Es ist spannend, lustig, erhellend, beschämend, berührend. Und es macht Hoffnung. Ingrid Adoja Yeboah sagt zum Beginn ihres Portraits einen wichtigen Satz: “Sie müssen wissen, dass auch wir Deutsche sind und dass es auch unser Land ist.” Mit “Raus aus den Schubladen!” von Florence Brokowski-Shekete kann man sich davon überzeugen. Es ist ein weiterer Schritt in Richtung Normalität, wie sie von so vielen Schwarzen in Deutschland angestrebt und gelebt wird.
Florence Brokowski-Shekete: “Raus aus den Schubladen! Meine Gespräche mit Schwarzen Deutschen”
Orlanda Verlag Berlin, 184 Seiten, 22 Euro
ENGLISH VERSION
„Raus aus den Schubladen! Meine Gespräche mit Schwarzen Deutschen“(“Stop Pigeonholing! My Conversations with Black Germans”) by Florence Brokowski-Shekete is the second book by the author, who had a surprising success with the autobiographical volume “Mist, die versteht mich Ja!”. In her new book, she portrays twelve black Germans working in mostly ordinary professions.
This may not seem very exciting at first glance, but it is exactly the opposite. Of course, it would be easier to ask musicians, athletes and actors about their exciting lives. They are also reported on more frequently in the media. Already in the introduction, Florence Brokowski-Shekete uses an example to make clear what is expected of Black Germans when they mingle with the white middle class or the academic upper class. Florence Brokowski-Shekete is a school district director. Probably the only Black in that position in Germany. So she is told by a participant at a symposium, “You must be a stewardess. Only an exotic job suits someone as exotic as you.” Such striking statements can be found several times in the book. Another that stuck is the one a church employee says to the new organist and cantor who is just making his way, up to the organ: “You can’t go up there now, there’s a concert coming up.”
If they did not also come from educated people, one could quickly pass over it. Thus, one is often surprised about so much thoughtless racism, about the perpetuation of stereotypes. While blacks are becoming more and more visible in the “exotic” professions of the media world, entertainment and the service sector, the white Germans usually keep to themselves in traditional areas such as schools, the judiciary, finance, parliaments and industry. Latently, black Germans with equal qualifications are denied the same, only because it lies outside the imagination of the white majority. Teacher? Cantor ? Mayor? Lawyer? Butcher? Yes, these are all professional realities.
So the special is in the simple, at least when it comes to Black Germans. But with the simple and ordinary is such a thing when it comes to skin color in Germany. The author traced this circumstance, this challenge, in the interviews. With a lot of empathy and curiosity, very different portraits have emerged. She herself calls them “Wonderful Encounters.” Often these people are the only black people in their company, institution or even place of residence. The visibility, the fact that one is always recognizable as a minority, is common to many portrayed as a problem. Often the wish is expressed not to be the only one who has a different skin color. They are often not considered capable, their intelligence or language skills are often doubted. It is of no use to certain white ignoramuses that their counterparts often have higher degrees, better grades, a larger vocabulary. For the people in the portrait, however, they are a strong sword in the struggle for recognition in white society. With above-average commitment, with the mastery of the German language, two effective factors are named, in order to make nevertheless the way. The portraits show this very impressively. By tracing the life stories, however, German history is also told. What was life like as an immigrant child in the 80s, in the East, in East Frisia, in the Palatinate? We learn a lot about sometimes difficult family circumstances. Adoption, questions about origin and identity are also addressed. Sometimes the interviewees are monosyllabic, and the private sphere becomes very private.
Today’s lawyer Ingrid Adjoa Yeboah grew up in Lower Saxony. When she visits a white Neighbours child in her own childhood, the father of the girl friend spreads out a map of Africa. There she is supposed to show where she really comes from. This outrages her. It also outrages the reader:inside.
It is these valuable inside views from German everyday racism that are becoming the subject of increasing enlightenment and disclosure. So it is not at all boring to follow these life stories of normal Germans. It is exciting, funny, enlightening, shameful, touching. And it gives hope. Ingrid Adoja Yeboah says an important sentence at the beginning of her portrait: “You have to know that we are Germans, too, and that it’s our country, too.” “Get Out of the Drawers!” by Florence Brokowski-Shekete can convince you of that. It’s another step toward the normalcy that so many blacks in Germany strive for and live.
Florence Brokowski-Shekete: “Raus aus den Schubladen! Meine Gespräche mit Schwarzen Deutschen”
Orlanda Verlag Berlin, 184 Seiten, 22 Euro
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